Vor dem Antikriegstag
Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!
| Der OJA (Ortsjugendausschuss) der IG Metall Hannover führt jedes Jahr am Antikriegstag eine Aktion der Gewerkschaftsjugend durch. Die jungen IG MetallerInnen wollten aber genauer verstehen, wie es zum deutschen Faschismus kommen konnte. Deshalb besuchten sie im Juli 2014 den Zeitzeugen Hans Werk in seiner Berliner Wohnung, um seine Geschichte aus erster Hand zu hören und um zu verstehen, wie es zu der Katastrophe des deutschen Faschismus kommen konnte. Die jungen GewerkschafterInnen waren von dem Werdegang so beeindruckt, dass sie Hans Werk eingeladen haben, seine Geschichte auch bei der Gedenkveranstaltung am Antikriegstag am 1. September am Ehrenfriedhof am Maschsee-Nordufer in Hannover zu erzählen: „Wir finden es sehr gut, dass er an diesem Tag da sein wird, da er aus beiden Perspektiven erzählen kann und es kaum jemanden gibt, der solch einen Wandel durchlebt hat.“
Antifaschistische Geschichtsarbeit ist für uns als GewerkschafterInnen jedoch kein Selbstzweck, sondern schafft Bewusstsein und Kompetenzen in drängenden Auseinandersetzungen der Gegenwart. Auch mehrere Dekaden nach der Befreiung vom deutschen Faschismus kommt der Auseinandersetzung mit Geschichte weiterhin eine besondere Bedeutung zu. Die Deutungsmacht über Geschichtsschreibung ist hart umkämpft: In Dresden führten Neonazis bis 2011 die größten Aufmärsche nach Ende des deutschen Faschismus in Westeuropa durch. Ihr Ziel ist es, Geschichte zu verkehren und die Deutschen zu den eigentlichen Opfern des Krieges zu erklären. Die Neonazis knickten nach antifaschistischen Massenblockaden 2010 und 2011 mit ihren jährlichen Aufmärschen endlich ein. Das Konfliktfeld ist damit allerdings nicht abgeschlossen: Bad Nenndorf oder auch Magdeburg sollen die Leerstelle einnehmen und für die Geschichtsverdrehung der Nazis herhalten. Anknüpfungspunkte zu antifaschistischen Traditionslinien und Widerstand lassen sich in Deutschland nur schwer herstellen. Der deutsche Faschismus hat gründliche Arbeit geleistet: Vielfach sind progressive Bezugspunkte der linken ArbeiterInnenbewegung in den KZs abgerissen. In anderen Ländern wurden Faschismus und Besatzung durch mutigen antifaschistischen Widerstand bekämpft und teilweise aus eigener Kraft besiegt. In Deutschland hingegen gibt es fast keine derartigen Bezüge. Die Nazis mussten von den alliierten Armeen niedergekämpft werden, die Gesellschaft von außen vom Faschismus befreit werden.
Umso wichtiger ist es deshalb für antifaschistische Geschichtsarbeit mit Zeitzeugen zusammenzuarbeiten, die den nachfolgenden Generationen ein authentisches Bild der Zeit vermitteln können. Eine dieser Institutionen ist die 1993 gegründete Berliner ZeitZeugenBörse, bei der die Vermittlung von Wissen und Erfahrung über die Verbrechen des NS-Regimes seit ihrer Gründung zu den primären Zielsetzungen gehört.
Inzwischen sind es nur noch wenige, die aus eigener Erfahrung berichten können, wie und warum sie als Jugendliche Anhänger des Regimes wurden und wie und warum sie sich schließlich vom Faschismus abwandten und sich mit den deutschen Verbrechen und ihrer eigenen Beteiligung auseinandersetzten. Einer von ihnen ist Hans Werk.
Hans Werk (Jahrgang 1927) war begeisterter Anhänger der Nationalsozialisten, Mitglied der HJ und später der SS. Seine Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NS begann erst nach 1945. Wichtiger Meilenstein in seiner Biographie war sein Kontakt mit Gewerkschaftern. Auf Seminaren und an der ADA (Akademie der Arbeit) bekam er die politische Bildung, die ihm half sich aktiv mit seiner eigenen Rolle während des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen und die faschistische Ideologie zu überwinden. Heute arbeitet er ehrenamtlich bei der ZeitZeugenBörse, um jungen Menschen authentisches Zeugnis über Krieg und Faschismus abzulegen.