Ratgeber Sommerhitze
Hitze am Arbeitsplatz: Diese Rechte haben Beschäftigte
| Für Viele ist die Arbeit dieser Tage eine höchst schweißtreibende Angelegenheit. Gewerkschaftsjurist Till Bender gibt Tipps und erklärt, welche Rechte Beschäftigte haben - und ab welchen Temperaturen der Arbeitgeber wie handeln muss.
So schön es ist, am Baggersee oder im eigenen Garten die Hitze zu genießen, so beschwerlich fällt oft das Arbeiten unter diesen Bedingungen. Manche Sonnenanbeter fragen sich da: „Muss ich wirklich am Arbeitsplatz bleiben – oder bekomme ich Hitzefrei?“ Die Antwort ist so kurz wie ernüchternd: Nein, es gibt für Beschäftigte grundsätzlich kein Hitzefrei.
Allerdings muss der Arbeitgeber Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften so einrichten und unterhalten, dass die Beschäftigten gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als es die Natur der jeweiligen Dienstleistung gestattet (Paragraf 618 BGB).
Doch heißt das, dass ich nach Hause gehen kann, wenn der Arbeitgeber gegen diese Pflicht verstößt? Und wann liegt eine Gefahr für Leib und Leben vor? Klar ist jedenfalls: Die Hürde ist hoch. Es reicht nicht, dass die Hitze unangenehm ist, sie muss schon schädlich sein. Genauere Antworten bieten die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättVO) sowie die damit verbundene Arbeitsstättenregel ASR 3.5. Gemäß Paragraf 3 Abs. 1 ArbStättVO in Verbindung mit Ziffer 3.5 Technischen Regel Arbeitsstätten (ASR) muss in Arbeitsräumen „eine gesundheitlich zuträgliche Temperatur“ herrschen. Die ASR bestimmt grundsätzlich eine Raumhöchsttemperatur von 26°C. Bei darüber liegender Außentemperatur darf jedoch in Ausnahmefällen auch die Lufttemperatur im Innenraum höher sein.
Bei welcher Temperatur muss der Arbeitgeber tätig werden?
Wenn die Außenlufttemperatur über 26 °C beträgt, sollen beim Überschreiten einer Lufttemperatur im Raum von 26 °C zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. In Einzelfällen kann es gesundheitsgefährdend sein, bei über 26 °C zu arbeiten.
Dies ist etwa dann der Fall, wenn schwere körperliche Arbeit zu verrichten ist, besondere Arbeits- oder Schutzbekleidung getragen werden muss, die die Wärmeabgabe stark behindert, oder gesundheitlich Vorbelastete und besonders schutzbedürftige Beschäftigte, wie etwa Jugendliche, Ältere, Schwangere oder stillende Mütter im Raum arbeiten. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber hier aber noch nicht verpflichtet, tätig zu werden. Dies ist erst der Fall, wenn die Lufttemperatur im Raum 30 °C übersteigt. Dann muss der Arbeitgeber wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Belastung der Beschäftigten zu reduzieren.
Geeignete Maßnahmen gegen Hitze
Der Arbeitgeber kann zum Beispiel Jalousien anbringen lassen und dafür sorgen, dass Büro- und Werksräume nachts auskühlen und morgens gut gelüftet werden, wenn es noch kühler ist. Durch Klimaanlagen oder Ventilatoren kann man versuchen, die Raumtemperatur erträglich zu machen. Sollten diese Maßnahmen nicht möglich sind, kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, eventuell bestehende Kleidungsvorschriften zu lockern und genug kalte Getränke bereit zu stellen. Wenn all das nicht hilft, kann der Arbeitgeber auch die Arbeitszeit an die Witterung anpassen. Dies ist jedoch ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand und nur mit Zustimmung des Betriebsrates möglich.
Erst wenn die Lufttemperatur im Raum 35 °C überschreitet, ist anzunehmen, dass in diesem Raum nicht mehr gearbeitet werden kann. Das heißt aber nicht automatisch, dass der Arbeitnehmer nach Hause gehen kann, sondern nur, dass in bestimmten Räumen nicht gearbeitet werden darf.
Die Vorschriften der „Technischen Regel Arbeitsstätten“ dient dem Arbeitsschutz und kann dazu führen, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer berechtigt ist, seine Arbeit einzustellen. Trotzdem sollte man keinesfalls einfach nach Hause gehen, sondern das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen oder den Betriebsrat hinzuziehen, damit dieser eventuell noch weitere Maßnahmen ergreifen kann.
Selbst aktiv werden: Diese Tipps können helfen
Wenn es schon kein Hitzefrei gibt, sollte man wenigstens versuchen, den eigenen Arbeitsplatz so angenehm wie möglich zu gestalten. Grundsätzlich sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Möglich sind zum Beispiel Kühlschränke, Ventilatoren oder mobile Klimaanlagen – sofern diese nicht den Arbeitsablauf stört oder aus Gründen der Sicherheit problematisch sind, spricht nichts gegen solche Arbeitserleichterungen.
Man sollte jedoch bedenken, dass der Arbeitgeber den Strom für Elektrogeräte zahlt und eine eigenmächtige Inanspruchnahme für Irritationen sorgen kann, sofern es nicht seit langem stillschweigend geduldet wird. Bevor also solche Stromfresser angeschafft werden, sollte man dies dem Arbeitgeber zumindest mitteilen.
Kleidung: Vorsicht mit Strandlook
Naheliegend ist natürlich auch, sich in der warmen Jahreszeit luftiger zu kleiden. Grundsätzlich darf jeder anziehen, was er will – es gibt jedoch Ausnahmen. Etwa, wenn der Arbeitgeber eine Dienstkleidung vorschreibt und auch zur Verfügung stellt. Auch die Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen ist nicht verhandelbar. Sicherheitsschuhe, Kittel, Helme und ähnliches sind keine Frage der Mode, sondern der Arbeitssicherheit. Schließlich sind auch stets die Üblichkeiten im Betrieb und der jeweiligen Branche zu beachten.
Dennoch spielen kurze Hosen oder Hawaii-Hemden immer wieder eine Rolle bei Kündigungsprozessen. So wollte ein Transportunternehmen einen Geldfahrer kündigen, weil er beim Ausfahren Shorts getragen hatte. Für dir Kündigung reichte es jedoch nicht: Da der Mann nicht als Mitarbeiter des Unternehmens erkennbar sei, sei ein „negativer Eindruck“ auf Kunden nicht zwingend. (Arbeitsgericht Mannheim, Az. 7 Ca 222/88)
Ebenso wenig reicht der allgemeine Vorwurf einer „urlaubsmäßigen“ Aufmachung für eine Kündigung. Wer zum Mittel der Kündigung greifen will, muss nach Ansicht der Richter sehr genau auflisten, welche stilistischen Fehlgriffe den Mitarbeiter untragbar erscheinen lassen. (Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Az. 9 Ca 1687/01) Aber auch wenn die Kündigung letztlich unwirksam ist – gerichtliche Auseinandersetzungen über modische Fragen sollte man sich ersparen, immerhin steht der eigene Arbeitsplatz auf dem Spiel. Man kann wenig falsch machen, wenn man sich an die betriebliche Üblichkeit hält und in Zweifelsfällen mit dem Arbeitgeber abspricht, was für ihn akzeptabel ist.
Kühlen Kopf bewahren
Hohe Temperaturen im Sommer können zwar in der Freizeit schön sein, bei der Arbeit können sie jedoch zu körperlichen und geistigen Anstrengungen führen. Hier gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und Eigenmächtigkeiten zu vermeiden. Diese können zu Konflikten mit dem Arbeitgeber führen. Das muss nicht sein, denn in der Regel werden Arbeitgeber oder Vorgesetzte Verständnis aufbringen, da sie ja genauso von der Hitze betroffen sind.
Besser ist, mit dem Arbeitgeber zu sprechen und gemeinsam Lösungen zu finden. Diese werden in der Regel sachdienlicher sein als einseitige Maßnahmen, egal von welcher Seite. Auch der Betriebsrat kann hier vermittelnd wirken und auf eine allseits zufriedenstellende Regelung hinwirken. Erst wenn der Arbeitgeber sich dem Gespräch verweigert und nicht bereit ist, die Sondersituation zur Kenntnis zu nehmen, kann ein Hinweis auf die Arbeitsstättenverordnung, verbunden mit der Androhung von Arbeitseinstellung sinnvoll sein.