EuGH misstraut Vertrauensarbeitszeit

18.05.2019 | Die Gewerkschaft Comisiones Obreras hatte geltend gemacht, dass Arbeitgeber die täglichen Arbeitszeiten der Beschäftigten erfassen müssten, da nur so der im spanischen Recht vorgesehenen Verpflichtung, den Arbeitnehmervertretern die monatlich geleisteten Überstunden zu übermitteln, genüge getan werden könne. Das spanische Gericht Audiencia National hatte Zweifel an der Vereinbarkeit der spanischen Regelung mit der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und legte die Frage dem EuGH vor. Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass die Arbeitszeitrichtlinie und die Charta der Grundreche die Mitgliedstaaten dazu verpflichte, sicher zu stellen, dass Arbeitgeber ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.

Wie genau ein wirksames System auszugestalten ist, elektronisch oder Selbstaufschreibung (in Kleinbetrieben), bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Jedenfalls aber müssen nationale Regelungen durch die nationalen Gerichte so ausgelegt werden, dass die Arbeitgeber verpflichtet sind, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit objektiv, verlässlich und zugänglich gemessen werden kann.

Die deutsche Rechtslage ist der spanischen vergleichbar. § 16 Abs. 2 ArbZG verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 – 8 Stunden - hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Das wurde zwar in der Vergangenheit auch schon so interpretiert, dass das Aufzeichnen der 9. Stunde voraussetzt, zu wissen, wann die 8. Stunde geendet hat (Buschmann/Ulber, ArbZG, § 16, Rn. 5; ErfK/ Wank, 14. Aufl., § 16 ArbZ, Rn. 6). Auch hat das BAG zu einer Betriebsvereinbarung über Vertrauensarbeitszeit schon 2003 geurteilt, dass der Arbeitgeber sich nicht darauf berufen könne, dem Betriebsrat keine Auskunft über die Arbeitszeiten der Kollegen zu geben, weil der Arbeitgeber sie nicht zur Kenntnis nähme, da der Arbeitgeber die Arbeitszeiten nach § 16 Abs. 2 ArbZG zu erfassen habe (BAG 06.05.2003, 1 ABR 13/02). Daher können Betriebsräte Auskunft über die Arbeitszeiten der Kollegen verlangen. Ungeklärt war aber, ob ein Arbeitgeber sich darauf berufen kann, dass es schlicht nicht zur Überschreitung der werktäglichen Höchstarbeitszeit kommt, weil er dies so angewiesen habe, bzw. eine Betriebsvereinbarung über Vertrauensarbeitszeit das so vorsieht.
 

Was bedeutet das Urteil für Deutschland?
Der EuGH verpflichtet die Mitgliedstaaten ihre Rechtsordnungen entsprechend anzupassen, auch Gerichte werden die Rechtsprechung zu berücksichtigen haben. Bevor der deutsche Gesetzgeber aber tätig geworden ist, sind private Arbeitgeber nicht verpflichtet, morgen eine Stechuhr aufzustellen. Die EuGH Rechtsprechung wird jedoch den Betriebsräten bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit helfen, die Rechte der Beschäftigten zu stärken.

Von der Entscheidung nicht betroffen ist das Problem der Darlegungslast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren (BAG 10.04.2013, 5 AZR 122/12, Rn 15; NZA 2013, 1100-1102).

Aktuelles
...