Frieden und Sicherheit

Gewerkschaftstag einigt sich auf Position zu Friedens- und Sicherheitspolitik

02.11.2023 | Wir veröffentlichen hier den Beschlusstext des Gewerkschaftstags der IG Metall zum Bereich "Für eine verantwortungsvolle Politik für Frieden und Sicherheit. Ausgelöst durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine wurde in der IG Metall Hannover wie auch in der gesamten IG Metall teilweise kontrovers über die richtige Haltung diskutiert.

Unsere friedenspolitischen Debatten über den Krieg Russlands gegen die Ukraine sind von sehr unterschiedlichen Tönen geprägt. Deutlich wurden aber auch unsere geteilten Überzeugungen und Haltungen: Krieg und der Bruch völkerrechtlicher Vereinbarungen können und dürfen kein Mittel zur Konfliktbewältigung sein. Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik entschieden ab. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muss sich im Bewusstsein ihrer historischen Verantwortung mit allen Mitteln für Frieden einsetzen. Die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und Minderheitenschutz sind nicht verhandelbar.

Unumstritten ist ebenso: Die russische Führung hat Tod, Leid und Zerstörung über die Zivilbevölkerung gebracht, tagtäglich werden schwerwiegende Verbrechen gegen universelle Menschenrechte verübt. Die IG Metall unterstützt alle Forderungen an die russische Regierung, alle Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen und ihre Truppen abzuziehen. Wir setzen uns mit Nachdruck für diplomatische Lösungen auf allen möglichen Ebenen und über alle Kanäle ein. Eine aktive Kriegsbeteiligung Deutschlands ist auszuschließen, die Eskalations- und Rüstungsspirale darf sich nicht weiterdrehen.

Das sicherheitspolitische Verhalten der westlichen Staatengemeinschaft mag Russlands Führung als Provokation wahrgenommen haben, vor allem die NATO-Osterweiterung wird hierbei angeführt. Dies rechtfertigt in keinem Fall einen Angriffskrieg. Ein nachhaltiger Frieden in und für Europa kann nur gefunden werden, wenn die staatliche Souveränität der Ukraine wiederhergestellt wird. Es braucht daher sowohl vertrauensbildende Maßnahmen als auch glaubhafte und wirksame Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Waffenexporte sind restriktiv und transparent zu handhaben. Eine Fixierung auf Waffenlieferungen verlängert diesen Krieg und führt auf beiden Seiten zu tausenden Toten und Verletzten. Daher ist der Schwerpunkt auf diplomatische Lösungen zu legen, um zunächst einen schnellen Waffenstillstand zu vereinbaren. Eine einseitige Fixierung der Debatte auf Waffenlieferungen und ein Denken in den Kategorien „Sieg“ oder „Niederlage“ ist der falsche Weg.

Wir fordern abgestimmte und gemeinsame Leitlinien für die Rüstungsexportkontrolle in der EU. Einheitliche Kriterien müssen für Bestimmungs- und Endverbleibsland gleichermaßen gelten. Nötig ist eine strikte Endverbleibkontrolle – im Voraus, mit schriftlicher, bei Vertragsbruch empfindlich zu sanktionierender Zusicherung des Endverwenders und unter der Maßgabe wirksamer Ausfuhrkontrollen. Abschließende

Genehmigungsentscheidungen dürfen nicht in einem intransparenten Gremium wie dem Bundessicherheitsrat getroffen werden. Der Bundestag ist über nachträgliche Informationsrechte hinaus in die Abwägungs- und Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

Gemeinsam mit dem DGB und anderen Einzelgewerkschaften wird die IG Metall Initiativen und Abkommen zur Rüstungskontrolle fordern und abrüstungs- und entspannungspolitische Initiativen unterstützen. Atomare, biologische und chemische Waffen müssen weltweit geächtet werden.

Außerdem setzen wir uns gemeinsam für Rüstungskonversion ein. Eine Neuaufstellung und Revitalisierung der Friedensbewegung ist gleichwohl unerlässlich. Wir werden im DGB und mit weiteren gesellschaftlichen Bündnispartner*innen eine Debatte um Frieden und Sicherheit im 21. Jahrhundert führen, die Perspektive über den derzeit alles dominierenden Krieg gegen die Ukraine weiten, andere kriegerische und schwelende Konflikte nicht vergessend. Dabei wird es um eine neue Architektur für Frieden und Sicherheit in Europa und eine Stärkung internationaler Organisationen gehen, nicht zuletzt um den Reformbedarf der Vereinten Nationen. Auch das sicherheitspolitische Verhalten der westlichen Staatengemeinschaft wird (selbst)kritisch zu betrachten sein. Über den europäischen Rahmen hinaus ist zudem eine realistische Analyse globaler Kräfteverhältnisse notwendig. Der wachsenden Bedeutung von Staaten wie Brasilien, Indien oder Indonesien ist auch sicherheitspolitisch Rechnung zu tragen. Russland wird zudem nicht dauerhaft aus der internationalen Staatengemeinschaft auszuschließen sein.

Eine nicht unerhebliche Rolle in diesen Debatten spielt eine auch sicherheits- und verteidigungspolitische Integration im Sinne europäischer Souveränität. Das betrifft vor allem die Rüstungszusammenarbeit und die notwendige Ausrüstung der Bundeswehr, die ihren verfassungsgemäßen Kernauftrag der Landes-und Bündnisverteidigung erfüllen muss. Zur Debatte über ein erweitertes Verständnis von Sicherheit gehören auch Herausforderungen der Cybersicherheit, zudem müssen die Zusammenhänge mit energie-, rohstoff- und handelspolitischen Fragen in den Blick genommen werden. Auch das diplomatische und sanktionsbewährte Instrumentarium internationaler Sicherheitspolitik ist auf den Prüfstand zu stellen. Sanktionen müssen zielgenau wirken, stetig überwacht, überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Bei alledem halten wir an unserem Grundsatz fest, dass Rüstungsausgaben nicht gegen die Finanzierung wichtiger sozialpolitischer Vorhaben und notwendiger öffentlicher Investitionen zur Umsetzung der sozial-ökologischen Transformation ausgespielt werden dürfen. Eine dauerhafte Steigerung des Etats für Rüstung und Verteidigung auf ein willkürlich erscheinendes, an konjunkturelle Entwicklungen gekoppeltes Zwei-Prozent- Ziel oder gar darüber hinaus lehnen wir ab. Vielmehr muss sich der Verteidigungshaushalt danach bemessen, was zur Erfüllung der Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung erforderlich ist. Zudem sind die Mittel und Anstrengungen für zivile Konfliktprävention und Entwicklungszusammenarbeit deutlich zu erhöhen.

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