Warnstreik in Hannover

„Das lassen wir uns nicht bieten!“

06.05.2013 | Mehr als 2.000 Mitglieder der IG Metall aus 22 Betrieben der Metall- und Elektroindustrie in und um Hannover fordern am Steintor 5,5 Prozent mehr Entgelt und einen Tarifvertrag für Dual Studierende.

Video vom Warnstreik am 06.05.2013

Foto: Marion Lenz, IG Metall

Die Samba-Gruppe trommelt vorneweg und heizt die Stimmung an. Die mehr als 2.000 Streikenden aus der Metall- und Elektroindustrie ziehen pfeifend hinterher. Im Tunnel auf dem Weg vom Hauptbahnhof zum Steintorplatz tröten sie so laut, dass sich selbst die Ohren zuhalten.

Sie sind sauer. Das Angebot, das die Niedersachsenmetall Ende April auf den Verhandlungstisch der aktuellen Tarifrunde gelegt hat, ist für sie bloß eine mickrige Mogelpackung. Pia Pachauer, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Hannover und Mitglied der Verhandlungskommission für die Metallindustrie Niedersachsen, erklärt, warum: „Die angebotenen 2,3 Prozent mehr Geld für 13 Monate und die geforderten zwei Nullmonate sind auf ein Jahr gerechnet tatsächlich nur eine Entgeltsteigerung von 1,9 Prozent.“ Damit werde noch nicht einmal die Inflationsrate ausgeglichen. „Das lassen wir uns nicht bieten“, sagt sie auf der Bühne am Steintorplatz. Die Streikenden pfeifen einstimmig und applaudieren. 

Um 9 Uhr haben sie auf ihren Arbeitsstellen alles stehen und liegen gelassen, haben ausgestempelt und sind in einen Bus zum Hauptbahnhof Hannover gestiegen. Mit dem Streik wollen sie ihre Arbeitgeber warnen. So wie Ricky Even bei der Firma Renk, der seinen Blaumann noch an hat. Er sei zwar froh, dass er Arbeit habe, aber er sehe es wie die Rednerin Pachauer: Auch die Mitarbeiter sollen etwas von den Gewinnen der Unternehmen haben und eine Wertschätzung erhalten. Pia Pachauer überträgt das Motto des gerade zu Ende gegangenen Evangelischen Kirchentags: „Wir wollen soviel, wie wir brauchen. Um gut zu leben und um gesund in Rente gehen zu können.“ Deshalb fordert die IG Metall 5,5 Prozent mehr Entgelt, eine kurze Laufzeit des Tarifvertrages und einen Vertrag für Dual-Studierende. Am 13. Mai ist die nächste Verhandlungsrunde angesetzt.

Auch bei der WABCO GmbH stehen heute die Bänder still. IG Metaller Marcus Kretzschmar, Leiter des Vertrauenskörpers und Betriebsrat, ist mit seinen Kolleginnen und Kollegen gekommen und berichtet auf der Bühne von der wachsenden Produktivität und der damit verbundenen Gewinnsteigerung seiner Firma. Er hat die Lacher auf seiner Seite, als er den Vergleich anstellt, wie es wohl wäre, wenn die Mitarbeiter zur erwarteten Produktivitätssteigerung von 6 Prozent einfach sagen würden: Aber 2,3 Prozent Steigerung reichten doch auch - fangen wir doch erstmal mit zwei Nullmonaten Arbeitsleistung an… „Bei dem Angebot der Arbeitgeber fehlen einem die Worte“, ruft Kretzschmar. „Ein unverschämter Vorschlag!“  

Zwischen den Redebeiträgen spielen Dieter Schäfer und Arno Dinse Lieder auf der Gitarre. Sie singen im Countrysound „I’m a union man – ich bin Gewerkschaftsmann“ und die Arbeitgeber „bieten 2,3 Prozent und jammern rum als wär‘s ihr letztes Hemd“.

Der 21-jährige Dimitrios Kretsis berichtet, wie gut er es bei seinem Arbeitgeber Volkswagen als Dual-Studierender hat. Denn die Ergebnisse der Tarifverhandlungen gelten auch für ihn. Sein Arbeitgeber übernimmt seine Studiengebühren und sichert ihm nach dem Studium ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu. Bei seinen Mitstudierenden aus den Betrieben im Flächentarif sehe das ganz anders aus. Es gelten keine einheitlichen Regelungen. Jeder Betrieb könne bisher willkürlich festlegen, was ein Dual-Studierender verdiene oder wie viel Urlaub ihm zustehe. Damit müsse Schluss sein. Ein Tarifvertrag müsse auch für Dual-Studierende her.

Zum Abschluss berichtet Andreas Matthias, Mitglied der Vertrauenskörperleitung bei Volkswagen Nutzfahrzeuge, von der dortigen Situation und den Verhandlungen, die zeitgleich stattfinden. Für die rund 97.000 Volkswagen-Beschäftigten und rund 5.000 Beschäftigten der Financial Services fordert die Gewerkschaft ebenfalls 5,5 Prozent mehr Geld für 12 Monate. Im Laufe des Tages wurde bekannt, dass die Unternehmensseite kein Angebot vorgelegt hat. Die zweite Tarifverhandlung mit Volkswagen findet am 27. Mai in Hannover statt.

Weitere Fotos vom Warnstreik findet ihr in unserer Bildergalerie

Aktuelles, Metall- und Elektroindustrie
...